Ein schönes und intelligentes Ambiente

ICH STELLE MIR VOR, daß meine Fans nur in einem Servicecenter anzurufen brauchen: Nette junge Damen nehmen die Wünsche entgegen und veranlassen, daß meine neuesten Veröffentlichungen unverzüglich zugesandt werden - aufwendig produzierte Katalogbücher, vierfarbige Leporellos, Videos und CDs werden von einem privaten Zustellservice an jeden Ort gebracht.

Ich stelle mir weiter vor, daß man eine Einladung in meine Galerie erhält, um sich mit allen Materialien zu versorgen, die man begehrt. Es scheint mir auch lohnend, daß für alle, die sich für mich einsetzen, ein Versprechen von Reichtum und sozialem Wohlbefinden ausgesprochen wird. Denn meine Fans werden eine sexy Gemeinschaft bilden - getragen von den spritzigen Ideen meiner Kunst, die sie wie eine offenbarende Welle von Realität umspült. Diese erotische Bewegung erfaßt alle. Sie formuliert ein hohes Versprechen von Genuß und Schönheit. Geeint in dem Begehren nach immer neuen Produkten meiner Kunst, genießen meine Fans die Beteiligung an dem Projekt, wodurch es auch zu ihrem eigenen wird; sie werden durch ihren Konsum das Eigene der anderen genießen - die Funktion des Pop schlechthin.

Meine Praxis wird in einer diffizilen Verliebtheit zum Kennen und Neuform(ulier)en bestehen. Kaum eine Kunstrichtung wird mir oder meinen AssistentInnen unbekannt sein, die ich dafür gut bezahle.

Meine besondere Freude wird sein, mich bei gesellschaftlichen Anläßen dezent auffällig zu verhalten. Ich teile zwar die konventionellen Sprachebenen, Gesten und Verhaltensweisen. Wenn ich es jedoch auch liebe, mich wie ein ganz normaler Mensch zu geben, so verkörpere ich doch mit meinem ausgeklügelten Codesystem, daß sich meine Meinung und Verhaltensweise -das, was man früher Stil nannte - subtil von den anderen unterscheidet. Letztlich bin ich aber auf der Suche, wie ich in entspannten, vielleicht zu melancholisch angehauchten Situationen zugebe - auf einer Suche, die mit Wahrheitssuche verbunden ist, wenn dies nicht zu pathetisch klingt - nach einer Wahrheit, die Glück heißt.

Manchmal denke ich: Ich bin zwei, drei oder mehr Videoshops. All die Bilder und Szenen in meiner Erinnerung würden Regale von Videokassetten füllen. Ein anderes Mal fühle ich mich völlig besessen von der Vorstellung, daß ich eine Modefotografie oder besser ein konzeptuelles Bild bin, das sich an jeder Stelle, an jedem Ort seiner unterschiedlichen Helligkeits- und Farbkontraste in ein Universum historischer Bezüge zu den Großen und Schönen öffnen läßt. Die Oberfläche kann dann als die Vorspiegelung eines ephemeren, rhizomatischen Ist-Zustandes begriffen werden wie Sonnenreflexe auf einem zerknitterten und zerfetzten Stück Massenkultur.

Jenseits der Interpretationen meiner Marketingabteilung, die meine Erfolge in bunten Effizienzkurven und Schaubildern visualisiert und sich von meiner Kunstaktie eine kreative Markt-entwicklung erwartet, wünsche ich mir in der Zukunft FreundInnen, die mich verstehen, die über die einfachen Slogans, die meine Kunst so erfolgreich gemacht haben, eine wahre Beziehung zu dem entwickeln werden, was bisher nicht darin entdeckt wurde - dies kann mir ein erneutes Leben garantieren.

Starship 1: Just what is it that makes today's Berlin so different, so appealing?
  1. Editorial #1 Starship
  2. Moontrip Ulrich Heinke
  3. Und täglich grüßt das Murmeltier Ariane Müller
  4. Golfen Katja Eydel
  5. ...ein guter Satz aus Zufall, meinetwegen! Michaela Eichwald
  6. Letztens hat mir mein Freund U. Judith Hopf
  7. Joan Semmel, Sylvia Sleigh, Audrey Flack Antje Majewski
  8. Ein schönes und intelligentes Ambiente Stefan Römer
  9. The Terror Starship Florian Zeyfang
  10. Wer ruft das Off von außen ? Ariane Müller
  11. gentrifikation / nullpunkt / broken windows* Nicolas Siepen
  12. „Die Beute“ - Relaunch Sabeth Buchmann
  13. Woher man denn kommt Isabelle Graw
  14. SituationistInnen und andere ... Katrin Pesch
  15. Immer noch Jim Dines Mülleimer Gunter Reski
  16. Futura 2000 Axel John Wieder, Christian Flamm
  17. Der NINA TEMPEL und HUCKS HAUS Elke aus dem Moore
  18. Primärfarben anscheinend verboten Gunter Reski
  19. Todesenthusiasten Petra Langemeyer, Heike Munder
  20. May 98 Kyron Khosla
  21. Was, wenn es Wirklichkeit wird ? Elisabeth Hautmann
  22. Grammatik: Schwierigkeiten bei der Anwendung des besitzanzeigenden Genitivs Frank Frangenberg
  23. Das Ende Mussolinis Linda Bilda
  24. Nutzen & Co Gunter Reski
  25. Domination and the Everyday Ulrike Müller
  26. Gegen Grenzproduktion in der Festung Europa
  27. Radek Oleg Kireev
  28. Polonia Express Tibor Varnagy
  29. Flauberts frühe Fickgeschichten Fabian Reimann
  30. Aus Alzheimer Helena Huneke
  31. Hallo neues Vorbild Gunter Reski
  32. Einige Fragen beim Lesen von Henry James Francesca Drechsler
  33. 100 Jahre Merve Hans-Christian Dany, Peter Gente, Heidi Paris, Ulrich Dörrie
  34. Reise mit Fragezeichen zur Minus 96 ins Ahornblatt nach Berlin Barbara Schüttpelz, Stephan Dillemuth
  35. Ich fühle daß mein Glück Kerstin Kartscher
  36. Jeder Mensch, der ein Bier falten kann, ist ein Künstler Ran Huber
  37. knife under pillow Phil Smith
  38. what's in the pantry today ? Massimo Richter
  39. Stirbt der Mensch als Künstler Dany Müller
  40. Anmerkungen zu Henry Bond Starship
  41. You're next Cathy Skene
pageview counter pixel