...ein guter Satz aus Zufall, meinetwegen!

Auf See

Wieder zu Hause, nach 2 Jahren erfolgloser Pottfischerei in Ermangelung einer gebrauchstüchtigen Seekarte.

Auf See. Ein großartiger Kerl, so gottlos wie ein Gott war ich und stand von früh bis spät mit wehenden Haaren so hart in Luv des atlantischen Meeres, daß ich darüber mit zugekniffenem Auge nicht mehr gut sah, was sich auf dem Ozean herumtrieb, eßbar oder nicht, mich aber dennoch übermütig verstieg zu allerhand plumpen Kühnheiten und mir schwor: lieber schwimm ich nackend im haiestarrendsten, arglistigsten Meer, als mein gut Geschäft zu machen. Und ganz richtig, so ist es gekommen.

Jedoch, es nützte mir wenig, da ich tatsächlich keins machte, die Auslagen nicht ersetzt bekam und meine liebe Frau, die mich mit großen glänzenden Augen erwartungsvoll anblickte in der Vorfreude darauf, was ich ihr wohl von meiner langen Reise Schönes mitgebracht hätte, maßlos enttäuschte. Es nützte mir auch die spätere Gewißheit nichts, daß da gar nichts war, so scharf man das Auge auch einstellt, das ich dort draußen, in den allzuoft laschen Wellen des Indischen Ozeans, in dem ich dann, vielleicht zu halbherzig, auf Pottfische und Tümmler aus war, übersehen haben mochte. Das nun wieder konnte meine Frau gar nicht trösten, sie verhöhnte mich und lief davon. Als ich nun von Bord ging in meine Wohnung hinein war plötzlich alles aus. Brüchig, halb vermodert, halb verfallen, nicht dem leisesten Wind gewachsen stank mir das geschmacklose Inventar entgegen.

Stumm saß da dicht an meinem fauligen Bett zwar immer noch das Namenlose, aber es griff nun nicht länger nach meiner Hand. Satan! Es gab mir auch keine gelbverblichenen Köpfe von toten Heiden mehr, die ich wie früher mühelos perlengleich auf eine Schnur reihen und Lieder aus fernen Ländern flöten lassen konnte. Die Bedenken wuchsen nicht mehr ins Ungemessene und Abwegige.

Ich konnte mir nichts erfinden, hatte scheints alles und auf der ganzen Linie großzügig verloren und mußte einsehen, daß mir endgültig die Mittel fehlten der scheußliche Kannibale auch zu sein, der ich bin, der mit seiner schauerlichen Sense die gewaltige und gerechte Totenernte einfährt.

Ich ging in die Wirtschaft. Die Rotten von Matrosen und Leichtmatrosen, die hereingeschlingert kamen und nach einer Weile wieder herausschlingerten, hatten sich indes kaum verändert. Sie beschworen Erinnerungen herauf, an denen man nicht viel Freude hat, tranken in Maßen, talkten ihre paar Takte herunter, versicherten sich, den jeweiligen Umständen Tribut zollend, recht geschickt ihrer und der Kapitäne Gunst und hielten sich ansonsten verblümt. Mir graute vor ihnen.

Jetzt graute mir die ganze Stadt und mir graute die nutzlos gewordene Wohnung, ja überhaupt das ganze feste Land graute mir entsetzlich. Nachdem ich in einem letzten Aufbäumen alles von den Wänden gerissen und verbuddelt hatte, tat ich tagelang nichts anderes, als vom Bett aus scheel die Fliegenfalle zu beobachten, auf der sich durchaus keine Fliege niederlassen, festkleben und kaputtgehen wollte. Die Vorstellungen konnte ich nicht richten. Und jetzt immer noch.

Und jetzt immer noch. Auf wen? Auf was? Wenn jetzt ein guter Satz, ein richtig guter, Zufall, ein guter Satz aus Zufall, meinetwegen!, dabei wäre, ich würde ihn wohl kaum erkennen und also nicht schreiben. Diese traurige Tatsache machte mich aber nur umso gleichgültiger, höchstens ein bißchen Verachtung spielt Musike dazu auf einem sehr reizlosen Instrument. Also lieber wieder irgendwo anheuern?

Starship 1: Just what is it that makes today's Berlin so different, so appealing?
  1. Editorial #1 Starship
  2. Moontrip Ulrich Heinke
  3. Und täglich grüßt das Murmeltier Ariane Müller
  4. Golfen Katja Eydel
  5. ...ein guter Satz aus Zufall, meinetwegen! Michaela Eichwald
  6. Letztens hat mir mein Freund U. Judith Hopf
  7. Joan Semmel, Sylvia Sleigh, Audrey Flack Antje Majewski
  8. Ein schönes und intelligentes Ambiente Stefan Römer
  9. The Terror Starship Florian Zeyfang
  10. Wer ruft das Off von außen ? Ariane Müller
  11. gentrifikation / nullpunkt / broken windows* Nicolas Siepen
  12. „Die Beute“ - Relaunch Sabeth Buchmann
  13. Woher man denn kommt Isabelle Graw
  14. SituationistInnen und andere ... Katrin Pesch
  15. Immer noch Jim Dines Mülleimer Gunter Reski
  16. Futura 2000 Axel John Wieder, Christian Flamm
  17. Der NINA TEMPEL und HUCKS HAUS Elke aus dem Moore
  18. Primärfarben anscheinend verboten Gunter Reski
  19. Todesenthusiasten Petra Langemeyer, Heike Munder
  20. May 98 Kyron Khosla
  21. Was, wenn es Wirklichkeit wird ? Elisabeth Hautmann
  22. Grammatik: Schwierigkeiten bei der Anwendung des besitzanzeigenden Genitivs Frank Frangenberg
  23. Das Ende Mussolinis Linda Bilda
  24. Nutzen & Co Gunter Reski
  25. Domination and the Everyday Ulrike Müller
  26. Gegen Grenzproduktion in der Festung Europa
  27. Radek Oleg Kireev
  28. Polonia Express Tibor Varnagy
  29. Flauberts frühe Fickgeschichten Fabian Reimann
  30. Aus Alzheimer Helena Huneke
  31. Hallo neues Vorbild Gunter Reski
  32. Einige Fragen beim Lesen von Henry James Francesca Drechsler
  33. 100 Jahre Merve Hans-Christian Dany, Peter Gente, Heidi Paris, Ulrich Dörrie
  34. Reise mit Fragezeichen zur Minus 96 ins Ahornblatt nach Berlin Barbara Schüttpelz, Stephan Dillemuth
  35. Ich fühle daß mein Glück Kerstin Kartscher
  36. Jeder Mensch, der ein Bier falten kann, ist ein Künstler Ran Huber
  37. knife under pillow Phil Smith
  38. what's in the pantry today ? Massimo Richter
  39. Stirbt der Mensch als Künstler Dany Müller
  40. Anmerkungen zu Henry Bond Starship
  41. You're next Cathy Skene
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