Begriffsstudio

Über Monika Rincks neues Buch

Hallo Wort, hallo Begriff, hallo Teil eines Satzes: Grad im Moment siehst du irgendwie komisch aus. Komisch falsch oder komisch richtig? Schwer zu sagen, denkwürdig jedenfalls. Oops, aus dem Gedanken - und mehr - machen wir eine Webseite (www.begriffsstudio.de). „Das Internet ist das Wellenbad der Begriffe“, klingt das gut ? Nein. Tut mir auch nicht leid. Der Satz schafft es in keine Hitliste. Probiers again. Pause. Umbau. Ein Brot schmieren. Sich schämen. Jetzt kurz was Wichtiges: Es gibt diese Stelle in „Morgens um Sieben ist die Welt noch in Ordnung“ von Eric Malpass - ganz am Anfang - da steht der unglaublich sympathische Schriftsteller-Vater von Gaylord (der Hauptperson) am Fenster und schaut in den noch frostigen Garten heraus. Den Garten stelle ich mir so vor wie in dem Buch „Er war da und saß im Garten“. Darin geht es um einen Bernhardiner-Hund, der durch alle Jahreszeiten durch im Garten auf sein Herrchen wartet, sozusagen die Geschichte der im Hund personifizierten Treue (es ist nur ein Bilderbuch, aber fast so hart zu verkraften wie „Mio, mein Mio“ von Astrid Lindgren). Gaylords Vater schaut durch die Doppelglasfenster in den Garten und hält dabei seine Kaffeetasse fest, dann spricht er einen Gedanken aus, der ihm grad durch den Kopf schiesst, vielleicht etwas über die Blässe und Frostigkeit da draußen. Die Tante, die noch mit den Anderen am Frühstückstisch sitzt und eine wenig tiefgründige Person ist, zeigt sich entzückt und sagt: „Ah, toll, diesen Ausdruck MUSST du einfach in deinem nächsten Roman verwenden!“ Der arme Mann wird derbe aus seiner Morgenstimmung gerissen, verdreht die Augen und geht aus dem Zimmer. Dann sitzt er vor seiner Schreibmaschine und es fällt ihm tatsächlich schwer, den Satz und die Möglichkeit, ihn in seinen Roman einzubauen, zu verdrängen. Passiert ist passiert. Zurück zu Monika Rinck. Die hat aus ihrem Projekt www. begriffsstudio.de ein sehr schönes Buch gemacht, bei dem ich an den Gaylord-Vater denken muss, aber auch an Roland Barthes“ „Punctum"-Definition und Peter Handkes zu Unrecht geschasstes Buch „Das Gewicht der Welt“, wo es um Momente geht, die einen idealen sprachlichen Ausdruck mit sich führen. Die Gültigkeit dieser Sprachmomente ist diskutierbar, aber schon durch die Sorgfalt, mit der sie aus dem Gedanken-Gewöll und dem Chaos des Möglichen in die Öffentlichkeit geholt werden, erhalten sie einen Glanz. Vielleicht Poesie. Vielleicht Unterhaltung. Sicher aber ist, dass „Begriffsstudio“ den Leser sofort integriert. Und es gibt eine Menge Behauptungen, die nichts behaupten, was man nicht auch selber behaupten würde.

Notes

Monika Rinck: Begriffsstudio 1996-2001 (edition sutstein 2001)

Starship 5: Zwei sind zu wenig - Cover Deborah Schamoni
  1. Editorial #5 Martin Ebner, Hans-Christian Dany, Ariane Müller
  2. Poem Mark van Yetter
  3. Zentralasiatisches Hochland – Gelände Friederike Clever
  4. Odessau Honey-Suckle Company, Simone Gilges, Zille Homma Hamid
  5. found artist N.Y. Jutta Koether
  6. Rudolf Leopold Porträt eines Sammlers Francesca Drechsler
  7. The great swindle of Neu Hans-Christian Dany
  8. Die Barrikade Ariane Müller
  9. Die Idee der Strasse ist vergessen worden Jesko Fezer
  10. Berlin Maps Shary Boyle
  11. moonboots Micah Magee
  12. Aus der Stadt Lina Launhardt, M.K.
  13. Civic Center Park Katrin Pesch
  14. Kristall. Christine Lemke
  15. O.T. (Odeon, Saint Honoré, Manfred Götzl Stilleuchten) Stefan Panhans
  16. displacement Daniel Pflumm
  17. The language monster Haytham El Wardany
  18. Eine Unterhaltung via E-Mail zwischen Haytham El Wardany und Ariane Müller, die zwischen Anfang September und November 2001 geführt wurde. Haytham El Wardany, Ariane Müller
  19. Impressum Starship 5 Ariane Müller, Martin Ebner, Hans-Christian Dany, Micah Magee, Stephanie Fezer
  20. In der Sicherheitszone Dorothée Klaus
  21. Die Nomaden des Kapitals Sebastian Lütgert
  22. 2001, Drawings Cristobal Lehyt
  23. A crack, not a boom Hans-Christian Dany
  24. speaking in tongues Natascha Sadr Haghighian
  25. Rio Helmut Battista
  26. Projekte und Existenzen Dietmar Dath, Barbara Kirchner, Stephanie Wurster
  27. Das Jahr 1979 findet noch statt Sabeth Buchmann
  28. Theorie der Sicherheit Carsten Zorn
  29. Was sind wichtige Momente eines Lebens? Biografische Stationen? Ariane Müller
  30. Früchte des Zorns Diana Mc Carty
  31. I won't be your mirror Sebastian Lütgert
  32. Psych-Out Ariane Beyn
  33. Kann ein Video-Mädchen lieben? Justin Hoffmann
  34. Krankheit Jugend Stefanie Fezer
  35. Das Double Eva Färber, Suse Weber
  36. Die sechsundvierzigste Minute der achten Stunde des elften Tages Ariane Müller
  37. Begriffsstudio Stephanie Fezer
  38. Hot Pot in Oslo Pierangelo Maset
  39. Plundered Florian Zeyfang
  40. Wels revisited Micah Magee
  41. Die Sonnenfinsternis im Norden hält an Nina Möntmann
  42. Get Rid of Yourself Bernadette Corporation, Le comité invisible
  43. "begin to think, about how we are to begin to begin" Klaus Weber
  44. Metallkrakenkrankenkanne Leichenroller Michaela Eichwald
  45. Motelhanoi Martin Ebner
  46. Cadaques Deborah Schamoni
  47. Rauchringe Christoph Keller, Jörg Keller
  48. straße Silke Nowak
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