Metallkrakenkrankenkanne Leichenroller

(LP, CD, Donkelforche Tonträger, DF 24)

Daß Formationen wie Metallkrakenkrankenkanne „extrem“ quasi im Nachnamen stehen haben, ist seit ihrem Erstling, „Der Sezierbauer“ (DF 17), wohl jedem klar. Sei es nun wegen des eigenwilligen Musikstils, sei es aufgrund der morbiden und zuweilen echt kranken Texte. Textlich wird auf Leichenroller mal wieder in die Vollen gegangen, und man fragt sich irgendwie automatisch, was mit den Leuten, die auf so etwas kommen können, nicht stimmt. Die 5 Duisburger von Metallkrakenkrankenkanne sind nunmal nichts für zartbesaitete Menschen. Ein ausführliches Interview mit diesen harten Leuten muß einmal her, damit mal erklärt wird, wie man in der Lage sein kann, solche Musik zu machen, ohne dabei selbst total durchzudrehen und abzuschnallen. Oft denke ich anschließend schon manchmal darüber nach, ob es Euch von Euch Kraken, wenn Ihr diese Texte singt oder Ihr diese hört, nicht manchmal selbst etwas komisch vorkommt, wenn Ihr feststellt, was Ihr da alles so singt. Mit dem Material von „Leichenroller“ präsentieren sich die Kannen jedenfalls wieder einmal von ihrer besten Seite. „Der Sezierbauer“-Stoff ist hier konsequent weiterentwickelt worden, was die alten Fans aber nicht abschrecken dürfte, im Gegenteil wird der gute Ruf der Formation sich noch steigern, wohl weit über die Grenzen von NRW! Der Death-Metal Einschlag bleibt gewahrt durch die aggressiven Vocals des begnadeten Markus Krauß. Gelegentliche spritzgeile Blastparts, die allerdings sehr durchdacht vom Urgestein Mirko Kemmerling (Ex-Faulturm aus Krefeld) eingesetzt werden, lassen den anderen musikalischen Ausrichtungen genügend Spielraum. Am Schlagwerk und seit Anfang an dabei der diabolisch wirkende Willehad Horn, ein Meister seiner selbst, der weder sich noch andere zu scheuen scheint.

Dieser Mann besitzt echt eine harte Ausstrahlung und bringt“s (in meinen Augen) voll!!! In einem Kurzinterview erzählte mir Willehad am Telefon, daß das Material für Leichenroller alles im Winter 00/01in einem Durch eingespielt wurde. Dann sei man im Duisburger Studio für ganze 7 Monate verschwunden und hat an den Sounds gebastelt. Was sich echt gelohnt hat!

Ich: Willehad, Du hast auch die teilweise harten Texte geschrieben. Was hat es damit auf sich?

Willehad Horn: Meine Texte sollen keine riesigen Erwartungen wecken, sondern mehr auf den Einzelnen verweisen. Wir versuchen immer, den kostbaren Momenten hinterherzujagen, während ruhig der Adler in der Höhe gleitet und auf die Menschen herunterschaut, die ihre Tage eitel auf der Suche nach Ruhm und Geld vergeuden. Dabei zerstören sie die Erde und sind elender als der elendeste Adler nur sein kann.

Ich: Wovon handelt das Stück „Schuld“?

Willehad Horn: Ein Lied wie „Schuld“ ist einfach darüber, wie hart es sein kann, von seinem Gewissen verfolgt zu werden. Du kannst deinen Gedanken oder Erinnerungen nicht entfliehen, was wirklich schrecklich sein kann. Markus singt es ganz unglaublich, ich bin total zufrieden mit der Umsetzung.

Ich: Heißt Du eigentlich wirklich Willehad mit Vornamen?

Willehad Horn: Ja.

Ich: Letzte Frage! Wann können wir Fans denn Euch endlich auch live bestaunen?

Willehad: Im Februar 2002 starten wir eine kleine Headliner-Tour in Wuppertal im Untermensch und werden insgesamt 6 Gigs absolvieren. Sicher werden wir auch wieder im Sommer in Wacken rocken.

Aber nun zur Platte selbst. „Der Schwesterlein“, ein echter Abgeh-Song, der schon auf der Mini-CD „Trauerfraß“ präsentiert wurde (übrigens zusammen mit Fleischwolf aus Aachen - eine interessante Band aus dem Gruft-Folk-Lager, die hier vor allem durch Stücke wie „Vater Morgana - Mutter Profana“ und „Haut der Lampenschirmfrau“ aufhorchen läßt), eröffnet das Album. Dies wird anschließend von dem tosend-treibenden Titeltrack „Leichenroller“ abgelöst, wobei die Duisburger regelrecht verrückt zu werden scheinen. Dieses Lied ist der ultimative Hit für Psychopathen, die auch gern mal in der Disco hotten. Allerdings braucht man dazu ausreichend viel Platz. (hehehe!)

Nebst Gitarre, Bass und Schlagzeug ergänzen Violine (Esther Tauth) und elektronische Klänge die schaurig-brutale Gesamtstimmung der Musik. Es tönt wie von weiter Ferne, und was da zu hören ist, beruhigt einem nicht grade das Nervenkostüm. Wie zum Beispiel das Lied „Dein Ende“, welches das 3. Stück darstellt. Mit dem Track „Nervenasche“ dürfte dann auch dem Letzten klar sein, daß ein weiterer Klassiker der Kannen geboren ist. Bis auf kleinere Ausnahmen (das etwas schwächere „Humus brutalicus“) bekommt man für sein Geld fast 70 Minuten Dauerblutrausch geboten, und das will schon etwas heißen! Dann kommen scheinbar Tage, in denen man die Songs kaum mehr aus dem Gehörgang entfernen kann und man scheinbar gar nicht mehr Teil einer wie auch immer gearteten Gesellschaft sei. Sie bohren sich regelrecht ins Gehirn und setzen sich dort fest. Man driftet dadurch irgendwie ab. Es ist schwierig zu beschreiben, und es besteht wahrscheinlich die Tatsache, daß man sich mit einem Album wie Leichenroller sehr stark beschäftigen muß, um dieses alles einmal für sich selbst klar zu kriegen.

Fazit: Mal gramerfüllt, dann urgewaltig, mal todesdürstend präsentieren sich die 12 Songs, vollgepackt mit Textzeilen über widerliche Liebe, üblem Tod und sinnlosem Streben, die sich wirklich unter die Haut schieben. Viel nordische Runenphantasie paart sich mit heutigen, westdeutschen Untergangsvisionen bei der Formation Metallkrakenkrankenkanne ganz konkret. Dieses kann sich als ungemein verstörend auswirken. Als ich z.B. einmal „Leichenroller“ den ganzen Tag gehört hatte, konnte ich die Wirklichkeit nicht mehr richtig wahrnehmen und das Einkaufen wurde fast zu einem Todesritt.

Heil Euch and see you in Wacken!

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