Auf der Angewohnheitentauschbörse

Ich habe diesmal etwas Unhandliches dabei. Sehen kann man es sowieso nicht. Der Besuch ist diese Woche noch mau. Letzte Woche war toll. Diese Erleichterung, dass das jemand wollte. Ich es los bin. Aber man weiß ja auch nie, was man dafür bekommt oder dann erstmal am Hals hat. Der zeitliche Faktor ist immer schwer abzusehen. Und in welchen Situationen das dann vorkommt, besser gesagt, immer vorkommen muss. Die Angewohnheit, immer beim Telefonieren ein Wannenbad zu nehmen, fast ein Kinderspiel. Jemand, der sich so gut wie immer bei sehr glatten Oberflächen aufhalten muss, schon deutlich schwieriger, umsomehr wenn diese in Wirklichkeit auch glänzend poliert sein müssen. Und dein Kind bekommt gerade Akne. Könnte man halt ins Autohaus oder eine Arztpraxis ziehen, wenn es das wert ist.

Oder etwas aus dem Sprachgebrauch. Tausche ausgeleierte Syntax mit zu vielen Konjunktiven gegen hermetisch diplomatische Formulierungskunst. Eigentlich sind ja gerade die Vokale bedroht, also vielleicht dort was holen. Es muss nicht immer um die eigene verbesserte Lebensqualität gehen. Es gibt tatsächlich Leute, die benutzen nur Wörter, die mehrheitlich aus Vokalen bestehen. Vielleicht auch nur, weil sie gern den Mund bewegen. Selbst beim Schreiben. Konsonanten werden gern als tragende Elemente im Sprachraum verteidigt. Ohne Mauerwerk keine Fenster, ohne Stahlträger keine schwebenden Decken. Blödsinn. Ich gehe in die Artickulationsecke. Eigentlich müßten Vokale und Verben Verbündete sein. Überall läuft die Tauschanbahnung etwas anders, aber die ominösen Dritten sind immer dabei. Ihre Rolle ist nicht immer hilfreich, aber unvermeidbar. Selbst wenn sie sich mal nicht bemerkbar machen, weiß man nie. Alle wollen diesen Job haben. Es geht da nichts ohne Verluste über den Tisch. Die Mittler greifen immer etwas ab. Bei jeder Angewohnheit gibt es auch etwas Gutes zu holen.

Geredet wird hier weniger, logisch, eher Zettel herumgereicht. Die Akustickecke ist direkt daneben. Wer zum ersten Mal hier ist, tauscht meist dasselbe gegen das gleiche. Immerhin mal ein anderes Zahnknirschen, und vielleicht war das eigene garnicht so schlimm. Lauter gegen weniger schmerzhaft. Erst machen alle weit ihren Mund auf und werden dann kurz in Tiefschlaf versetzt. Die Aufgeweckten haben soviel Speed intus, dass sie ein zartes Kieselknirschen in der Mundhöhle vorgaukeln. Wie eine leise ächzende Steintür. Auf dem Lästiglevel wird man eh alles wieder los. Der direkte Rücktausch ist bei Hausverbot strikt untersagt. Die Stimmung in der Turnhalle ist immer leicht bedeckt, aber nicht unangenehm, hat etwas von offen bußfertig kurz vorm Abflug. Das leidige Gepäck fliegt ja bald woanders mit, so wenigstens denken viele. Jede Gewohnheit ist auf Rhythmus gebaut. Wie eine Art musikalischer Handlungstakt. Garnicht weit weg vom Atmen. Gewohnheiten kann man schon länger tauschen. Die Atmung nicht, die kann man nur einstellen oder als Passivsatz. Die inversen Gewohnheiten wie sich nicht die Nase putzen, werden immer leicht vergessen, also hier im Tauschmoment auf Jahreszeit oder Pollenflüge aufpassen.

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