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        Florian Zeyfang 
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       Ob denn aber Netzkunst über die Bedeutung 
        von Mailart hinauskommt, wird oft gefragt. Dabei bieten sich andere Vergleichsmöglichkeiten 
        an, wie im Falle von Olia Lialinas "My Friend Came Back From The War - 
        After Dinner They Left Us Alone"5. 
       Man folgt bei Lialina der Erzählung einer 
        privaten Begegnung unter besonderen Voraussetzungen (der Titel spricht 
        es an) in einfachen Texten und Bildern durch die aufpoppenden Frames, 
        die  
        dabei, sich multiplizierend, immer kleiner werden: Alles hat am Ende auf 
        einer einzigen Seite stattgefunden. In der Abfolge von Bildern, der Narration, 
        denkt man an La Jetée von Chris Marker, der mit seinen Standbildern den 
        Film veränderte - das unerreichte Vorbild. Daß bei "My Friend..." die 
        Entwicklung der Bildgeschichte durch Mausklick beeinflußt wird, also nonlinear 
        sein soll, ist ein Medienspezifikum, fällt aber kaum auf. 
       Dafür wird man an James Coleman erinnert, 
        der sich für seine experimentellen Narrationen eines bereits von der Werbung 
        entdeckten Mediums bedient, nämlich einer Serie von Diaprojektionen. Coleman 
        ist auch Gegenstand eines Artikels, der als zentral für die Diskussion 
        um den Medienbegriff á la October angesehen wird6. Der Unterschied zum 
        Netz, das so sehr von Werbung definiert wird, wäre, daß hier die Strategien, 
        derer sich die Künstler und die Werber gemeinsam bedienen, zwangsweise 
        noch nicht oder noch nicht lange wieder verworfen worden sind, wie das 
        Anfang der 80er bei Colemans Diaprojektionen der Fall war. Das "Alter" 
        eines Mediums spielt oft eine wichtige Rolle im Verhältnis zu seiner Anwendung 
        im Kunstbereich.  
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        Im Gegensatz zu Coleman wendet Lialina das Internet 
        allerdings nicht als distinktives Medium an, das nur ihr zu eigen ist, 
        oder das von ihr in einen Kunstzusammenhang überführt wird. 
       Allerdings finde ich die Forderung nach einer Einzigartigkeit 
        des Mediums eher abwegig. Bleibt der Unterschied und die Verschiebung 
        innerhalb der Kontexte: ob das Medium, das Werbefirmen genauso benutzen, 
        in einen anderen Zusammenhang überführt wird, scheint eine Frage der Auffassung 
        von "Umgebung" zu sein. Wer das Internet als ein homogenes Medium sieht 
        und durch diesen Umstand einen solchen Vorgang verunmöglicht sieht7, geht 
        sicher auch davon aus, daß Kunst in anderen Medienum- gebungen wie bspw. 
        Fernsehen oder Kino nicht produktiv oder sogar unmöglich ist.  
      Aber, ist Video nur Kunst im Kunstraum? Oder auch zuhause 
        auf dem VCR, auf dem auch StarTrek läuft? Wenn man eher davon ausgeht, 
        daß die inzwischen sehr allgemeine Entwicklung das Internet so weit ausdifferenziert 
        hat, daß mindestens von der Bandbreite eines normalen "gesellschaftlichen" 
        Mediums gesprochen werden kann, wird man auch innerhalb dieses Mediums 
        genügend differenzieren können, um künstlerische Funktionen darin fest 
        zu machen. 
       Auf diese Fragen hat sicherlich die immer breitere Akzeptanz 
        eine Auswirkung: Wie viele Haushalte besitzen denn nun einen Internet 
        - Anschluß und wie, im Vergleich, sieht es mit der Verbreitung bei Videorecordern 
        aus? Und, wie erwähnt, der Film: in der Fortsetzung obiger Erwägungen 
        bietet sich ein kompletter kunst - und filmgeschichtlicher Strang an, 
        wenn man an die Filme und Videos von Charles Dekeukeleires, des frühen 
        Peter Greenaway, von Peter Rose oder auch Michael Snow8 denkt, die mit 
        den schnellen Wechseln von kurzen Filmsequenzen zu Text, oder eben nur 
        mit Text, gearbeitet haben (Auch diese Beispiele ständen selbstverständlich 
        nur für einen Strang möglicher Entwicklungen im Netz).  
      
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