Florian Zeyfang

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Man kann die fingierten Firmen, Zeitungen und Stadtseiten eher als Ironie wahrnehmen, deren Kritikpotential von der Wirklichkeit längst ad absurdum geführt worden ist und die nur mühsam karikieren, was dem Internet als Werbemedium per se eingeschrieben ist. Diese Ergebnisse wurden von der chronisch unterinformierten Kunstkritik zu recht nicht beachtet: Zu harmlos war der Umgang mit der technikaffirmierenden Entertainmentqualität des Internethypes, aber auch zu wenig entertainend waren viele der Ergebnisse.

Fast wie eine Bestätigung betonten NetzkünstlerInnen in den letzten Jahren im Internet und in Interviews seltsam einverständlich mit ihren KritikerInnen, sie wollten gar keine KünstlerInnen sein. Die Distanzierung von Kunst und privatem Kunstmarkt hatte für sie seit Jahren die Funktion, sich auf technische, innermediale und inhaltliche Aspekte beziehen zu können und dabei nur einen losen Bezug zur Kunstgeschichte zu halten, diese gleichermassen ignorierend und plündernd.

Viel Halbinteressantes wurde außerdem mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten des auszuübenden Handwerk legitimiert. Der Begriff des Handwerks hat auch in die Formulierungen Einzug gehalten, mit denen im Einflußbereich des US - amerikanischen Kunsttheoriemagazins October, aber auch im Kölner Texte zur Kunst, um die Definition des KünstlerInnentums gerungen wird.

Die "Skills", die der/die KünstlerIn zu entwickeln habe, sollen in Zusammenhang mit einem von ihm zu erfindenden Medium stehen, welches ganz im Kunstkontext situiert ist.

Solchermaßen könne der Kunst die Autonomie und Radikalität zurückgewonnen werden, die sie in den letzten Jahren verloren habe. Zielscheibe der Kritik dabei sind Entwicklungen des letzten Jahrzehnts:

 

Ortsspezifische Kunst, Institutionskritik und Kontextkunst. Deren Verbindungen von Disziplinen wie Soziologie / Sozialkritik mit Kunst, oder in der Analyse von Kunst-als-Institution, sowie ihre Verquickung von Produktion, Kunstkritik und Kuratorium in der Praxis sollen Verflachung und selbst Institutionalisierung verursacht haben4. Kunst im Internet entlehnt ihre Legitimationsmuster zum Teil den Kunstströmungen um Site Specifity, Institutional- und Cultural Critique.

Daher verwundert es nicht, daß viele der aktuellen Untersuchungen sich auf diesem Hintergrund einer Kritik, die von kontraproduktiven Verquickungen der Felder ausgeht, abspielt.Dabei arbeitet sich ironischerweise die Netzkunst ganz brav an ihrem Medium ab, unter Einsatz aller vorhandenen Skills: Heath Bunting beispielsweise hat mit seiner Internetseite, auf der in blassem Grau ein Text über sein Leben und Wirken steht, eine fast schon klassisch - steif anmutende Konzeptarbeit der Hyperlink-Ära erstellt:

jedes Wort dieser Vita ist aktiviert, stellt also eine Verbindung zu einer anderen Netzseite dar, und zwar einer, der das selbe Wort als Bezeichnung dient: zum führt zu www.zum.org, Beispiel zu www.Beispiel.com - aber nur, wenn diese Seiten durch Zufall existieren, ansonsten ins Leere: Bunting hat keine Seite dafür neu eingerichtet. Seine Seite macht einen Kommentar zum Sprachgebrauch des Mediums, in dem sie wahrgenommen wird, und zu einem Kommentar der künstlerischen (Selbst)Stilisierung. Darüber führt sie allerdings, trotz aller Links, nicht hinaus.