Lara Sana spricht mit Carola Dertnig oder Carola Dertnig spricht mit Lara Sana

wien ist schon eine schöne stadt. aber so leer. diese räume, da haben wir getanzt, das war der greissler. da drüben gab es teppiche, jetzt sind große straßen tot, kein geschäft mehr, kein lokal mehr, alles ist zentrifiziert auf drei straßen. da gibt es dann alles auf einen fleck, ein kabel, eine chinesische suppe und ein sakko für am abend, alles in einem block. praktisch ist das schon. das war auch ein wunderbares hutgeschäft, es sieht etwas heruntergekommen aus. die besitzer kannte ich, sie waren aus ungarn. wien ist ja aber ausgestorben, am sonntag besonders. da ist weit und breit nur die kronenzeitung zu sehen. hier waren unsere ersten aktionen, ja, hier, in diesem lokal. die scheinen alle eingegangen zu sein. hier war doch gerade noch ein türke, der immer so lange offen hatte? wie hoch ist die arbeitslosigkeit? was, noch nie, sie sind doch aus wien? ach so, sie sind ein kind von vor der mauer, da war wien für sie die endstation. nun, sie können ja zu fuß nach brünn, bratislava, pressburg, 60 km von wien, gehen, wenn sie wollen? warum tun sie es nicht? sie steigen ein und fahren los, ganz einfach ist das.

wir kommen aus einer zeit, da hatten wir in der reihung der gesellschaft nicht viel zu sagen. trotzdem waren wir widerspenstig und widerständig. geld gab es nicht viel. ja, aber wir schmissen auch bomben, und wenn es sein musste, zogen wir hinaus und zogen uns aus. immer wieder waren wir splitternackt. fragen sie mich nicht, warum. wie meinen sie, künstlerisch tätig? ja, das könnte ich so sagen. aber es fiel mir nicht so auf, denn ich war teil einer gruppe. ich war sehr jung, viel gesagt habe ich nicht, mitgemacht schon. genäht habe ich auch, und getrunken, das auch. aber nicht so wie die anderen, denn ich musste aufstehen. ach, sie meinen, sie sind auch künstlerisch tätig? sicher, ich hab gar nicht daran gedacht, dass ich künstlerin bin und damals schon war. das haben wir doch andauernd alles gemeinsam aktiv in der gruppe entwickelt und produziert. es wurde mir erst viel später bewusst, dass ich den genius des individuellen unterstützte. ma naïveté ... und na klar: je bekannter, umso besser die finanzen. daran hab ich einfach nicht gedacht. wie, lineare biografie,­ was meinen sie damit? ja, das ist schon richtig, aus dem vollen schöpfen, das konnten wir, aber sehr linear war meine bio nicht. na, ihr zeitabschnitt muss halt so viel überlegen, da ist ja gar keine zeit mehr zum experimentieren. und viel geld verdienen. da können sie einem schon leid tun. dafür haben sie mehr selbstbewussstsein und unabhängigkeit. das ist ein fortschritt. wir wurden nie gefragt zu partizipation. traurig darüber? nein, wirklich nicht. na, manche sind sehr reich geworden. so klar war das nicht, die eigene popularität. aber es ist nur popularität und nicht mehr.



das hat man halt getan miteinander. das war dann eben eine aktionistische aktion. erst später wurde es zu dem, als was es heute gesehen wird. durch die skandale in den medien, beziehungsweise das, was dann ein skandal wurde. ich war dabei und nicht dabei. vielleicht durch die im nachhinein gesehene rolle des models. wenn ich mir heute die photos ansehe, dann sehe ich das auch so. ich nackt mit farbe bespritzt auf dem photo. über, unter oder neben mir ein nackter oder angezogener artist, der einem vielleicht noch den mund zustopft. das wirkt dann natürlich nicht sehr aktiv. sie fragen, warum ich mitgemacht habe. also einerseits, weil ich der meinung war, dass die passive opferrolle der frau in der gesellschaft durch die aktionen zum thema gemacht wird. heute bin ich mir nicht mehr sicher. und wenn ich mir die photos ansehe, dann stelle ich eher eine instrumentalisierung des femininen körpers fest. und dass dann ein paar so hervorgehoben wurden, das hat sich erst viel später ergeben. wir haben da geschichten noch und noch, wenn man sich damit auseinander setzt. und im nachhinein, jetzt von der legende her, machen das die, die nicht dabei waren. das machen die, die das glauben müssen, die transponieren das dann ins übermäßige.

wobei ich sagen muss, dass ich damals viel zu schüchtern war, um mich in dieser umgebung an eine existenz als kunstschaffendes individuum zu wagen, überhaupt daran zu denken. so weit habe ich gar nicht gedacht. aber sie müssen das in relation mit der zeit sehen, wir hatten doch nicht im fernen gedacht, berühmt zu werden. oder jemals geld zu verdienen. ja, die umgebung haben wir ernster genommen wie andere, das ist richtig. wir waren ja noch jung und wir haben eben das geld verdient. und der andere teil des zusammenlebens ­ na, der eine teil hat kunst gemacht -, wir haben das geld für die produktion der kunst und zum überleben verdient.

es ist schon richtig, dass die berühmt sind, die heute berühmt sind. ich zum Beispiel habe ja nur mitgemacht und ich stehe auch auf allen dokumenten, aber manche ideen, die waren schon von mir. das steht halt heute nirgends. ich meine, die titel, die könnten schon anders ausfallen. es heißt im original leda und der schwan, dann wäre lara sana und schwan eine elegantere und wahrheitsnähere fassung. aber was ist das schon: wahrheit ... und wen interessiert das schon? und doch hatte ich da schon ganz schön mitgemischt, das ist ja offensichtlich auf den photos zu erkennen ... mein name stand schon oft dabei, aber als kollaboration. nein, wo denken sie hin, ja, was glauben sie, wie viel geld da heute im spiel ist! was glauben sie, was denn so ein photo kostet? das ist eine aktionistenmaschinerie, eine fabrik geworden, aus der das kapital spuckt.


ja, sie meinen, ich solle über solche dinge sprechen? wozu, bloß wegen ihrem zeitabschnitt? verantwortung der geschichte gegenüber, ach, das ist mir ziemlich wurscht ­ ich bin froh, wenn ich meine ruhe habe. und es strengt an, wissen sie, die vergangenheit ist oft näher als die gegenwart. was ich jetzt tue? verschiedenes. ich produziere kosmetik. ich verkaufe blindenlose, ich spiele saxophon auf der straße und zu hause karten und schach. das ist gut für das hirn.

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