Tales of stupidity

No Center for the Center

Joris van Son, Stone Cartouche with Fruit and Flower Garland, 1664, Sammlung Statens Museum for Kunst, Kopenhagen

Wir wissen es einfach nicht – wir wissen nicht, warum zum Beispiel diesem Bild ein Ereignis, ein Objekt oder einfach nur ein Thema, das der Mühe wert ist, dargestellt zu werden, in seiner eigentlichen Mitte fehlt. Ob im Zentrum des Bildes immer schon ein solches, etwas fragwürdiges schwarzes Loch prangte? Eine aufregende Lochdarstellung etwa, die auch genau so konzipiert und genauso gedacht und gearbeitet wurde oder, ob zu einem späterem Zeitpunkt vielleicht, eine einst darin eingepasste Darstellung kurzerhand übermalt wurde?! Warum sollte man so etwas tun? Vielleicht, weil die zu übermalende Darstellung oder das Ereignis nicht mehr als „zentral“ im Sinne von „repräsentativ“ angesehen wurde und dadurch seine Daseinsberechtigung zu jener Zeit verloren hatte. Man entschloss sich zu einer Übermalung, die selbst nun, wie ich mir vorstelle, mit den neuesten Techniken der Ölmalerei und sehr gekonnt als dunkle Lochmitte gearbeitet wurde, um so das alte, von uns nie gekannte Thema einfach zu verschlucken. Möglicherweise gab es im Anschluss daran einen Mangel an Kraft, an Zeit, an Geld und an Interesse, eine gute und neue Idee für ein neues Zentrum des Bildes auszuarbeiten...

Übrigens: diese hier abgebildete Darstellung des Bildes war nicht das einzige Bild, dessen Zentrum fehlte – in meiner Erinnerung zumindest waren es mindestens vier Bilder dieser Art, die auf einer frei stehenden Wand, je zu zweit nebeneinander gehängt, anhand von herrlichen, überbordenden Blüten und Blumen ihre dunklen und leere Zentren betonten. Alle Bilder waren, erinnere ich mich hier richtig, ungefähr gleich groß – so etwa die Größe eines hochformatigen Fensters, wie verwendet in einem Siedlungshaus der Nachkriegszeit in Mittel- und Nordeuropa. Betrachtet haben wir diese Ölgemälde im Statens Museum for Kunst, National Gallery of Denmark, Kopenhagen. Es war im tiefsten Winter des Jahres 2011 und draußen trieben der Schnee und die Kälte einem die Tränen in die Augen.

Da fragt man sich natürlich sofort: Was soll also eine solche Ansammlung von schwarzen Zentren in einer, wie wir ja annehmen dürfen, hoch pädagogisch motivierten Institution wie dem Museum der frühen 2000ender Jahre in Nordeuropa, bei dem Betrachter / der Betrachterin überhaupt auslösen? Das was mit großer Sicherheit beim Betrachter / der Betrachterin ausbleiben wird, ist jedes gerade und klare: Aha! Anzumerken sei hier, dass ein neuerer theoretischer Ansatz, von vier zu definierenden Merkmalen des Aha!-Erlebnisses beim Menschen ausgeht: Erstens, das Aha!-Erlebnis kommt plötzlich. Zweitens, die Lösung eines Problems kann flüssig verarbeitet werden. Drittens löst das Aha!-Erlebnis einen positiven Affekt aus. Viertens ist eine Person, die eine plötzliche Einsicht erlebt, von der Richtigkeit der Lösung in Bezug auf das Problem überzeugt. Das ist es also, was beim Betrachter/ bei der Betrachterin hier alles nicht passieren wird. Mir fällt auf: ein Aha... ohne Ausführungszeichen, sondern etwas lang gezogen ausgesprochen, kann auch als Ausdruck von erfahrenen Enttäuschungen geäußert und verstanden werden.

Fest steht jedenfalls, das der Vorteil einer Verschiebung einer jeden Ideenfindung bezüglich der Zentren eines jeden Bildes, ganz generell erst einmal auf einen möglichen, späteren und potentiell auch erkenntnisreicheren Zeitpunkt hin zu verschieben, der ist, dass man sich ausgesprochen und sehr viel besser auf das so genannte Drumherum des Bildzentrums konzentrieren kann. Ohne das so genannte Drumherum eines jeden Bildzentrums gäbe es logischerweise erst gar kein Zentrum eines Bildes. Das Drumherum dieses Bildes hier ist einfach zu herrlich in seiner Schönheit, in all seinen Details und Farben, so dass es mir hier leider nicht weiter möglich ist, es mit meinen Worten zu beschreiben.

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