Von Nico Siepen
Verweilen beim Konservativen
Ideologie/Kritik: Teil2

Es wird sehr angenehm gewesen sein, eine Illusion gehabt
zu haben, aber auch beunruhigend.
Wir kannten keine andere Lösung als diese in die irregehende Bewegung:
keine Meinung zu haben und keine Idee zu diesem oder
jenem Punkt, kein Leiden an Kommunikationslosigkeit, denn das schöne im
Leben - so könnte man es sehen - sind die Löcher, die Lücken, die sie
enthaltenen Katalepsien oder Somnambulismen. Selbst springende Punkte
gehen an dieser gespannten Leere vorbei und erfassen nicht im geringsten
den inneren Zusammenhang zwischen Baulücken und Biographien;
das seltsame Einverständnis zwischen dem Auge und einer
scheinbar unendlichen, geziegelten, fensterlosen Brandmauer. Eine Monade
aus schönsten Grau- und Brauntönen - so sehr fein abgestuft und in sich
verschieden, daß das sanfte Licht verwirrt in die Knie geht, und der beunruhigten
Netzhaut in ihrer eigensten staunenden Sprache, mit ihrer eigenen lautlosen
Stimme höflich zuzwinkert: "hey, du stehst mir im Weg!". Bruchteile später
löst sich ein leiser aber
unnachgiebiger Zwang wie ein paradoxer Schuß aus nächster
Nähe auf die Welt: "here comes pain!" like it or not "enjoy yourself!"
und eine noch frische Reflexion: "Schade, ich dachte das wäre eine Einladung
gewesen, bei ihnen zu wohnen". Erst jetzt stellen sich in einer Sprache
ganz anderer Art Fragen wie von selbst: "was wird nun kommen?", "was ist
passiert?". Der Rückzug ist bereits verstellt, der Raum wankt irgendwo
zwischen Vogelnest und Wohnung.
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Eine Besonderheit ganz anderer Art fällt mir an dieser
tausendfach wiederholten Geschichte auf: an dem Tag, als ich meinen Namen
in der Zeitung sah, brach eine Triebfeder, und ich war am Ende.
Traurig genieße ich mein Ansehen, produziere aber nicht
mehr. Es läßt sich leicht erkennen, daß mein Unterfangen zu produzieren,
damit man mir mein Dasein verzeiht - trotz aller Angeberei und Lüge -
einige Wirklichkeit besaß: malochen kann ich wenn ich tot bin, solange
wir unter den Lebenden weilen, verkaufen wir unsere Spinngeweben auf dem
freien Markt!
Ach du meinst: komm wir schmeißen die beiden alten kaputten
Plattenspieler weg und kaufen uns für das Geld einen neuen? Ja! Aber ist
es nicht sehr schwierig, etwas derartiges zu verstecken: die anderen Dinge
sind doch eifersüchtig und abweisend, sie klammern sich feste an ihren
Ort und lassen Gegenstände unentschiedener Realität in keine Ritze? Um
einen Bereich wahllos herauszupicken: was mehr abstoßend als komisch an
der Kunst ist, ist der Anblick des Leichnams, der sich weigert sich hinzulegen
und statt dessen so tut, als wäre er das einzige wahrhaftig lebendige
Ding im Universum.
Von der Romantik bis zum Situationismus, von Blake bis
1968 wurden die Träume des Gestern einer nach dem anderen zum 0815 Dekor
für das Morgen durch Prozeduren im Heute: gekauft, zerkaut, verloren,
wiedererrichtet, verwandelt, reproduziert, verkauft. Kunstmarkt hat immer
etwas trostloses, etwas von Kaufmannsladen spielen! Aber auch der Widerstand
dagegen ist ein sich selbst verdächtiges Provisorium mit schwachen Nerven.
Als individualisierte Waren, haben Kunstwerke nicht nur
nicht die Unschuld skrupelloser Kälte von seriellen Produkten, diese haben
auch die kunstvolleren Tattoos. Eine Sardinendose z.B. oder ein paar Schrippen
werden in einem Supermarkt unter Umständen etwas elegant Verträumtes,
wie sie so daliegen, in ihrem Regal, kalt beleuchtet.
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