Von Diedrich Diederichsen
Feldmann, RAF, Schlick, Kippenberger usw.
Von zwei Seiten aus war in den letzten
Jahrzehnten das Gedenken aus der ruhigen Routine der Kriegsgräberfürsorge
und dem sonntäglichen Friedhofsbesuch herausgeholt worden.
Junge Menschen unter 30 hatten im Laufe der 80er Jahre schon teilweise
mehr als hundert Freunde, Bekannte und Liebhaber durch die AIDS-Krise
verloren.
Die Jugend der verlorenen Freunde und das Politische
an ihrem Leiden und Sterben verlangten eine neue Form, mit ihrem Tod und
dem Gedenken an die Verstorbenen umzugehen. Aus dem Widerspruch zwischen
Trauerarbeit und politischer Aktivität entwickelte z.B. Douglas Crimp
in seinem berühmten Aufsatz "Mourning and Militancy" Ansätze, die dieses
generelle Problem mit seinen besonderen Varianten in der visuellen Kultur
und der symbolischen Politik und deren Gemeinsamkeiten auf rhetorischer
Ebene in Verbindung brachten.
Zum anderen zeigt sich, daß über das Erledigen, Suspendieren,
Aussetzen, Modifizieren oder Ästhetisieren des Gedenkens an die von den
Deutschen ermordeten Juden die deutsche Neugründung sich einen gewissen
Schwung oder eine symbolisch-psychologische Entlastung erhofft. Dieses
sinistre Ansinnen der Kapitäne der Berliner Republik zurückzuweisen, reicht
aber nicht, die Linke - oder wer sonst etwas gegen diese Entwicklung haben
könnte - sieht sich vor das Problem gestellt, sich aus eigener Kraft überlegen
zu müssen, wie man mit dem Komplex der Erinnerung an die deutsche Täterschaft
eigentlich umgehen will - ästhetisch, politisch, didaktisch-pädagogisch
etc.
Daß die Aufgabe eines staatlichen Mahnmals in der linken
Perspektive auch immer dazu beitragen müßte, daß diesem Staat seine Darstellung
als ein komplettes ‘Deutschland’ mißlinge, ein gebautes Mahnmal aber immer
zu dem Gelingen des symbolischen Deutschlands beiträgt, ein nicht gebautes
aber einfach das Vergessen und Verdrängen gewinnen läßt, ist dabei noch
ein kleines Problem.
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Pünktlich zum fin de siècle taucht Gedenken im Anschluß
an diese Debatte auch viel allgemeiner als Thema immer häufiger im Zusammenhang
mit (symbolischer) Politik, visual culture und den Aufgaben der Kunst
in der Diskussion auf. Nun sind zwei Bücher erschienen, die sich mit dem
Gedenken an die Toten beschäftigen, und dabei in auffälliger Weise gleich
mehrere der genannten Zusammenhänge bespielen.
Es handelt sich um die Bände "Die Toten 1967 - 1993"
von Hans-Peter Feldmann (über die Toten aus "Studentenbewegung, APO, Baader-Meinhof,
Bewegung 2.Juni, Revolutionäre Zellen, RAF,...") und "Martin" (über Martin
Kippenberger) von Wolfgang Bauer, Jörg Schlick und Peter Weibel.
Neben den beiden größeren Diskussionen über das Gedenken
steht ein Medium im Mittelpunkt dieser Überlegungen, das sich durch Nähe
und Intimität
von den anderen Medien öffentlichen Gedenkens stark unterscheidet, die
Photographie. Daß jedes Foto, das einen Menschen zeigt, eines Tages einen
Toten zeigen wird, ist eine Grundvoraussetzung jedes Porträts. In einem
wie geringen Maße auch immer bestimmt diese Voraussetzung Entscheidungen
von Photographen, die Menschen photographieren.
Neben vielen anderen Absichten des Festhaltens, Komponierens, Repräsentierens,
Verfremdens und Zuspitzens, das eine künstlerische oder photographische
Entscheidung mitbestimmen mag, gibt es immer auch die, die sich auf die
Sterblichkeit der abgebildeten Individuen bezieht. Daher muß man bestimmte
Aspekte herausgreifen, betonen, stark machen, in Beziehung zu anderen
Vergänglichkeiten setzen, zu womöglich noch viel flüchtigeren Elementen
des Szenarios, in dem die sterblichen Menschen rumstehen oder laufen.
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